
Wie hab ich das gemeint: Ich bin schon ausgestiegen?
Nun kommt zu meinem letzten Beitrag eine kleine Erklärung für all diejenigen, die etwas verwirrt sind. Ich bin ja selbst verwirrt und kann das eine oder andere noch nicht zuordnen.
Der erste Schritt
Im Juli 2018 habe ich den Beitrag „Aussteiger“ geschrieben, in dem ich das Thema Ausstiegen eingehend beleuchtet habe. Dort habe ich über den inneren und äußeren Ausstieg gesprochen. Unsere innere Lebenswelt bestimmt unsere Normen und Werte und diese werden uns durch z.B. Erziehung und die Gesellschaft vermittelt. Sehr früh lernt man schon, wie man sich verhalten muss, um z.B. Aufmerksamkeit zu bekommen, Zuwendung, Liebe. Diese Erfahrungswerte nehmen wir unser ganzes Leben lang mit und verhalten uns entsprechend. Wir entwickeln also ein Muster nach dem wir funktionieren und auch unser Gehirn legt solche Muster an, nach denen es denkt, schlussfolgert, urteilt, entscheidet.
Nehmen wir ein Kind, das sehr viel Leid und Bitterkeit erfahren musste, es wird mit großer Wahrscheinlichkeit auch als Erwachsener dieses Leid suchen. Nicht weil dieser erwachsene Mensch pervers veranlagt ist, sondern einfach weil er Leid kennt, weil er damit umgehen kann.
Oder wir alle kennen Aussagen von uns und Freunden: Warum nur mache ich immer wieder die gleichen Fehler?! Ganz einfach, weil diese Fehler zu etwas führen, dass wir kennen. Wir werden immer wieder danach suchen, weil wir uns in diesen Situationen wohlfühlen, wir können damit umgehen, wissen wie man reagiert usw.. Typische Aussage: Ich verdiene kein Glück! Kaum jemand wird das laut aussprechen, aber mal ehrlich, haben wir das nicht schon alle mal gedacht?
Jeder Mensch steckt also in seinen Normen und Werten fest. Das kann gut sein, muss es aber nicht. Meistens merken wir es nicht mal. Wir agieren jeden Tag, mit uns selbst, mit anderen Menschen, wir tun Dinge, gehen arbeiten usw. Wir alle funktionieren jeden Tag in einer Welt, die wir uns selbst erschaffen haben.
Diese Muster kann ich erst dann durchbrechen, wenn ich selbst zum eigenen Beobachter werde. Ich muss mich selbst sehr genau beobachten, was ich sage, wie ich agiere, wie ich auf andere reagiere. Wenn ich das tue, erfahre ich sehr viel über mich selbst. Ja, ich lerne mich selbst das erste Mal wirklich kennen!
Das war mein erster Schritt, um auszusteigen. Indem ich die eignen Muster, die eigenen Grenzen hinter mir gelassen habe, legte ich den Grundstein für eine neue, bessere, gesündere Verhaltensweise. Nun lebe ich nach Normen und Werten, die ich selbst festlegt habe, nicht meine Eltern, die Gesellschaft oder Freunde.
Plötzlich erkenne ich, was ich wirklich möchte, was mir gut tut, welche Wege ich einschlagen muss.
Der zweite Schritt
Unsere Gesellschaft beutet die Erde aus. Das ist keine neue Erkenntnis, sondern eine Tatsache seit der Industrialisierung, also ein alter Schuh. Wir werden die Erde aber nicht unendlich ausbeuten können. Die ersten Ergebnisse dürfen wir bereits die letzten Jahre spüren: Überschwemmungen, Tsunamis, Hurrikans, Windhosen, Dürre, Hitzerekorde und vieles mehr. Natürlich hat es auf der Welt immer schon Kälte- und Hitzeperioden gegeben und so ist es auch dieses Mal. Allerdings ist eine Sache anders, nämlich die Geschwindigkeit mit der das alles passiert. Klimaveränderungen haben sich sonst über hunderte von Jahre hingezogen. Tiere und Menschen hatten Zeit genug sich darauf einzustellen und trotzdem waren solche Veränderungen immer auch die Vorboten für das Ende von großen Zivilisationen. Mit neusten Messungen kann man das heute beweisen. Siehe: Indus-Kultur, Akkad-Reich, Mayas.
Und was ist wenn ein Klimawechsel in so einem rasenden Tempo voranschreitet? In hundert Jahren kann der Meeresspiegel – im schlimmsten Fall – um 60 Meter steigen. Viele Teile unserer Zivilisation werden dann verschwinden. Was wird das mit uns machen?
Was in hundert Jahren ist, weiß keiner von uns. Aber ich weiß was heute ist und ich kann heute etwas tun. Alles auf unserer Welt passiert nur wegen Geld, das muss einem erstmal klar werden und auch alles was in Zukunft passiert, wird nur wegen dem Geld passieren. Wenn man also etwas verändern möchte, dann geht das nur über Geld.
Menschen, die kein in Plastik eingepacktes Gemüse mehr kaufen, zwingen die Unternehmen etwas zu ändern. Menschen, die kein Duschgel mehr kaufen, in dem fraghafte Inhaltsstoffe sind, zwingen die Unternehmen die Produktion zu überdenken. Menschen, die kein Billig-Fleisch mehr kaufen, zwingen Unternehmen zu handeln.
Wenn ich also etwas verändern möchte, muss ich mir anschauen wo die großen Probleme liegen und bei mir anfangen. Das habe ich getan. Ich bestelle jetzt nur noch natürliche Seife und Shampoo von kleinen Seifenmanufakturen, um das kleine Handwerk in Deutschland zu stärken (ist nicht teurer, weil ergiebig). Ich kaufe keine Reinigungsmittel mehr, sondern kaufe die einzelnen Komponenten selbst und mixe mir meine Reinigungsmittel selbst, ebenso das Waschmittel (wesentliche günstiger). Auch meine Lebensmittel kaufe ich sehr bewusst ein, Nudeln z.B. nur noch in Papierverpackung (gibt’s in jedem DM). Ich kaufe nur Bio-Lebensmittel, aber auch hier achte ich auf Inhaltsstoffe und lasse die Finger generell von verarbeiteten Lebensmitteln (bis auf wenige Ausnahmen). Ich mache mir mittlerweile alles selbst: Brot, Aufstrich, Kuchen, jedes Essen wird selbst zubereitet, Schokolade und vieles mehr. Obst und Gemüse beziehe ich von regionalen Bauern und bestelle deshalb bei www.bauerntuete.de, die mittlerweile deutschlandweit versenden. Oft gibt es aber auch örtliche Angebote, die man nutzen kann, gerade in der Nähe größerer Städte. Ich versuche alle Einwegprodukte zu vermeiden und dafür attraktive Alternativen zu finden. Technische Geräte und auch den Strom- und Gasverbrauch minimiere ich.
Es geht für mich also darum wieder regional zu kaufen und zu denken, die kleinen Bauern, Unternehmer zu unterstützen. Das Handwerk wieder zu stärken. Nachhaltig zu agieren und die Komfortzone zu verlassen. Und ich persönlich habe außerdem dem Kapitalismus den Kampf angesagt. Das bedeutet keine unüberlegten schnellen Einkäufe mehr, von Dingen die ich nicht brauche. Keine Identifikation oder Profilierung mehr mit/ über „Dinge“.
Der dritte Schritt
Als ich Schritt eins und zwei getan habe, änderte sich plötzlich mein ganzes Leben. Es fällt mir schwer es zu beschreiben oder zu verdeutlichen, ich wurde ein besserer Mensch und dieses „besser“ meine ich im Hinblick auf meine geistige und körperliche Gesundheit. Ich hörte auf ständig diesen geistigen und materiellen Müll zu produzieren, alles wurde ein bisschen klarer, direkter und unmittelbarer. „Alles was du der Welt antust, tust du auch dir an..“, ich weiß nicht mehr wo ich das gehört oder gelesen habe, aber es stimmt!
Die ersten beiden Schritte sind bzw. waren unheimlich wichtig für mich, um ein stabiles Fundament zu schaffen. Denn nur so war bzw. bin ich in der Lage zu erkennen was ich wirklich möchte. Wünsche und Hoffnungen ganz ohne den Schleier von Vorgaben, verfälschten Werten, erdachten Emotionen, projizierten Hoffnungen.
Ja, natürlich stört es mich immer noch, wenn ich jeden Morgen um 5:35 Uhr aufstehe, um früh auf die Arbeit zu gehen. Und es stört mich immer noch, dass ich Geld verdiene, um mir das Leben leisten zu können, das ich führe (wobei das bereits mit Einschränkungen, denn das Geld verdiene ich jetzt zur Hälfte für meine Zukunftsvision). Aber es stört mich nicht mehr so sehr, weil ich weiß, es wird sich etwas ändern. Irgendwie muss man seinen Lebensunterhalt verdienen, von irgendetwas muss man leben. Wenn das Ersparte nicht reich, dann muss man arbeiten oder man schafft es Selbstversorger zu werden, aber auch hierfür benötigt man Anfangskapital. Ohne Moos nix los… das ist die erschaffene Welt der Menschen und ich lebe darin, ob es mir passt oder nicht. Daran kann ich nichts ändern.
Das ist aber nicht mehr wichtig, denn alles was nun kommt, ist gut. Ich habe verstanden, dass ich mich nirgendwo anders finde als im Jetzt und genau hier. Schritt für Schritt in der Gegenwart und mit einem kleinen Fenster in die Zukunft. An anderer Stelle habe ich es bereits angedeutet, dass ich davon überzeugt bin, dass gewisse Dinge passieren werden, auch ohne mein kraftvolles Zutun. Innere Veränderungen bringen äußere Veränderungen mit sich.
Also war bzw. ist Schritt 3 auf meinem Weg das Loslassen. Ich habe ein stabiles Fundament geschaffen mit einem unheimlich nährbarem Boden. Die Samen sind gesät und nun sitze ich auf meiner Bank und warte was daraus wird. Das ist ein schönes Bild und besser könnte es meinen derzeitigen Zustand nicht beschreiben.
Im I-Ging ist dieser Zustand „Das Stillhalten„.
Fazit
Äußerlich hat sich gar nichts verändert, alles ist genauso wie vor 8 Monaten. Gut, die Haare sind plötzlich kurz und grau und ich gehe seltener einkaufen, aber sonst alles wie gehabt. Von Aussteigen keine Spur.
Innerlich habe ich aber bereits alle Weichen gestellt und bin ausgestiegen.
Nein, das ist falsch.
Ich bin eingestiegen.
Eingestiegen in ein reichhaltiges, wundervolles Leben voller Magie! Alles hat sich geändert, die Art und Weise wie ich Menschen wahrnehme, wie ich sie verstehe, wie ich sie sehe. Meine Art mit der Erde umzugehen hat sich geändert, auch hier habe ich einen völlig neuen Blickwinkel. Das Leben selbst und auch den Tod sehe ich ganz anders, weitblickender.
Aber dieser innere Wandel ist noch nicht abgeschlossen, hier habe ich noch einiges an „Arbeit“ vor mir und ich freu mich drauf.
Diese Menschen waren und sind meine Inspiration
Prof. Dr. Hans-Peter Dürr – Quantenphysiker und Essayist, Schüler von Heisenberg. Es ist faszinierend wie er zwischen Wissenschaft und Religion Brücken schlägt und zeigt, dass die beiden gar nicht so weit voneinander entfernt sind.
Meister Eckhart – Spätmittelalterlicher Theologe und Philosoph. Es ist ein Wunder, dass er zur damaligen Zeit nicht als Ketzer verurteilt wurde. Seine Lehren waren unheimlich innovativ und er hat es unglaublich gut verstanden alles mit dem Deckmantel des Christentums zu verschleiern. Er war der Erste, der seine Predigten auch auf Deutsch hielt und niederschrieb für das einfache Volk.
Eckhart Tolle – Spiritueller Lehrer und Bestsellerautor, der nicht zufällig den Vornamen Eckhart gewählt hat. Mir scheint es, dass er versucht die Lehren von Meister Eckhart in die jetzige Zeit zu übertragen/ interpretieren. Durch ihn gelingt es Meister Eckhart in einem ganz anderen Licht zu sehen.
Erich Fromm – Psychoanalytiker, Philosoph und Sozialpsychologe. Das Buch „Haben oder Sein“ hat bei mir bleibenden Eindruck hinterlassen.
Und auch Prof. Dr. Harald Lesch – Astrophysiker, Naturphilosoph, Wissenschaftsjournalist, Fernsehmoderator und Hörbuchsprecher, wobei er – meiner Ansicht nach – sehr an der Oberfläche kratzt und leider ein zu ausgeprägtes Ego besitzt, um die Dinge klarer zu sehen. Fachlich ist er jedoch ohne Zweifel ein fähiger Mann, der übergreifend denken kann.
Und dann natürlich auch die Menschen in meinem näheren Umfeld, die mir mit kritischen Fragen weitere Türen geöffnet haben. Danke!
Titelbild: leider unbekannt
Kleiner Junge: ambermb
Freiheitsstatue: geralt